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Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen


Einrichtung und Aufgaben
Die unabhängige Gutachterstelle für Arzthaftungsfragen an der Bayerischen Landesärztekammer (BLÄK) wurde im Jahr 1975 geschaffen. Patienten, Ärzte und Versicherungen können sich an diese Einrichtung wenden, um außergerichtlich klären zu lassen, ob ein vermuteter ärztlicher Behandlungsfehler tatsächlich vorliegt. Ziel der Einrichtung ist es, geschädigten Patienten die Durchsetzung begründeter Ansprüche sowie Ärzten die Zurückweisung unbegründeter Vorwürfe zu erleichtern. Die Gutachterstelle soll dazu beitragen, das Arzt-Patienten-Verhältnis bei Streitigkeiten zu befrieden.
Auf schriftlichen Antrag gibt die Gutachterstelle eine Stellungnahme zum Streitfall ab; sie trifft aber keine Entscheidung, die die gerichtliche Nachprüfung ausschließen würde. Das Verfahren ist kein Schiedsverfahren im Sinne der Zivilprozessordnung. Die Aufgaben des Vermittlers auf der Ebene eines ärztlichen Kreisverbandes (Art. 37 Heilberufe-Kammergesetz – HKaG) bei Streitigkeiten zwischen Arzt und Nichtarzt bleiben unberührt.

Zusammensetzung
Die Gutachterstelle ist mit entscheidungsbefugten Ärzten und entscheidungsbefugten Juristen mit Befähigung zum Richteramt besetzt. Sie wird von einem Arzt als Vorsitzenden und einem Juristen geleitet; für beide sind Stellvertreter benannt. Weiterhin gibt es einen Beirat, dem Ärzte der einschlägigen Fachrichtungen angehören. Die Leitung der Gutachterstelle, die entscheidungsbefugten Mitglieder sowie die Stellvertreter sind vom Vorstand der BLÄK für die Dauer seiner Wahlperiode bestellt. Mitglieder des Beirats werden vom Vorstand der BLÄK auf unbestimmte Zeit berufen. Vorstandsmitglieder der BLÄK dürfen selbst nicht Mitglieder der Gutachterstelle werden.

Das Gutachterverfahren
Alle drei Parteien, also der Patient als Antragssteller, der betroffene Arzt (bzw. das Krankenhaus) als Antragsgegner und die Haftpflichtversicherung des Antragsgegners, müssen zustimmen, bevor ein Verfahren begonnen werden kann. Daraufhin wird aufgrund der Unterlagen, die vom Antragsteller sowie vom betroffenen Arzt eingesandt wurden (z.B. Behandlungsunterlagen wie Röntgenbilder, Operationsberichte, etc.) sowie eventuell aufgrund von der Gutachterstelle zusätzlich herangetragener Unterlagen ein Gutachtenantrag mit Beweisfragen formuliert und ein unabhängiger Gutachter des entsprechenden medizinischen Fachgebietes mit der Erstellung eines Gutachtens beauftragt. Zeugenvernehmungen sind aufgrund der rechtlichen Konstruktion der Gutachterstelle nicht möglich. Um für mehr Transparenz und Sicherheit im Verfahren zu sorgen wurde den Beteiligten durch eine Verfahrensänderung im Jahr 2000 jedoch die Möglichkeit des rechtlichen Gehörs eingeräumt.
Auf Grundlage des Gutachtens – in manchen Fällen auch mehrerer Gutachten – wird von der Gutachterstelle eine Stellungnahme abgegeben, in der das Vorliegen eines ärztlichen Behandlungsfehlers entweder bejaht oder verneint wird (ärztliche Fehler werden in etwa 30 Prozent der Fälle festgestellt). Mit diesem Votum ist die Tätigkeit der Gutachterstelle beendet. Nur falls sich neue, für die Entscheidung erhebliche Sachverhalte ergeben, kann das Verfahren wieder eröffnet werden.
Etwa 85 Prozent aller Verfahren können durch die Gutachterstellen definitiv erledigt werden. In ca. 15 Prozent der Fälle folgt eine gerichtliche Auseinandersetzung, häufig wegen der Schadenersatzsumme. Nur in den wenigsten Fällen kommt es dabei zu einer vom Votum der Gutachterstelle abweichenden gerichtlichen Entscheidung.

Grenzen der Möglichkeiten der Gutachterstelle
Die Gutachterstelle wird nicht tätig, wenn wegen des vermuteten Behandlungsfehlers bereits Strafanzeige erstattet wurde, wenn deswegen bereits ein Gerichtsverfahren läuft oder wenn der vermutete Behandlungsfehler länger als fünf Jahre zurückliegt (in letztem Fall eine ausreichende Sachaufklärung mit den Mitteln der Gutachterstelle kaum noch möglich).
Außerhalb der Möglichkeiten der Gutachterstelle liegt es zudem, anderweitig erstellte Gutachten zu überprüfen, die Höhe eines Schmerzensgeldbetrages zu nennen, Arztrechnungen auf ihre Richtigkeit zu prüfen oder eine nicht dokumentierte Aufklärung zu beurteilen.

Unabhängigkeit der Gutachter
Die Gutachter werden von der Gutachterstelle aufgrund der fachlichen Kompetenz ausgesucht. Sie werden nicht von den Haftpflichtversicherern honoriert, sondern über die bayerische Landesärztekammer. Die Höhe des Honorars unterliegt den Regeln des Justizvergütungs- und Entschädigungsgesetzes.

Dauer und Kosten des Verfahrens
Das Gutachterverfahren dauert in der Regel 15 bis 18 Monate. Für die Beteiligten ist das Verfahren kostenlos; sie müssen jedoch ihre eigenen Kosten einschließlich der Kosten ihrer Rechtsvertretung selbst übernehmen. Mehr als die Hälfte der Kosten für die Gutachterstelle trägt die Bayerische Landesärztekammer. Von den Haftpflichtversicherungen der Ärzte und Krankenhäuser werden Pauschalgebühren nach näherer Vereinbarung erhoben.

Caroline Mayer